5. Juni 2014: Fränkischer Abend mit vielen Gästen aus der Region |
||||
Viervillle sur Mer: Die Bäcker Martin Schiffer, Klaus Ackermann und ihr französischer Kollege Staphane Manach kommen in diesen Tagen kaum noch damit nach, genügend frische Laibe aus dem Ofen zu holen, so groß ist die Nachfrage nach ihrem Friedensbrot. In Kommissbrotformen backen die drei schwarzes bzw. Rosinenbrot mit Schoklade oder Nußstücken. Ihre historische Feldbäckerei steht auf einer Wiese, nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt. Dort, am Omaha-Beach lieferten sich am 6. Juni 1944 Amerikaner und Deutsche eine erbitterte Schlacht, die zu den blutigsten des ganzen Zweiten Weltkriegs zählt. Umso mehr freut sich das Team des Stammheimer Museums, dass neben zahllosen Invasionstouristen aus der ganzen Welt auch viele Einwohner von Vierville kommen um das frische Brot zu kosten. Ebenfalls der Pflege der Partnerschaft zwischen Unterfranken und dem Calvados diente ein fränkischer Abend am Mittwoch zu dem u.a. der ehemalige und der aktuelle Bürgermeister von Vierville mit dem kompletten Gemeinderat samt Familien eingeladen waren. Als Höhepunkt wurde ein Brief der Schweinfurter Bundestagsabgeordneten Dr. Anja Weisgerber verlesen. Mit Frankenwein, Bratwürsten aus Stammheim und Sauerkraut nach altem Rezept konnten wir den Gästen im Anschluss zeigen, dass "Kraut" nicht nur eine spektierliche Bezeichnung für Deutsche ist, sondern dass die fränkische Küche mit Kraut auch herzhafte Mahlzeiten hervorzaubern kann. Zu den Ehrengästen gehörte auch der neunzigjährige John Trippon. Er war in den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 mit der ersten Welle der amerikanischen Truppen in Vierville an Land gegangen. Es sollte einer der schlimmsten Tage in John's langem Leben werden: die meisten seiner Kameraden wurden noch am Strand von deutschen Maschinengewehrschützen erschossen. Nach vielen weiteren blutigen Gefechten endete der Krieg für ihn Anfang 1945 in Aachen. Groll gegen die Gegner von damals zeigt John Trippon keinen. Kein Wunder, war einer seiner Söhne als GI doch lang in Giebelstadt stationiert gewesen und hatte dort ein ganz anderes Deutschland erlebt, als sein Vater 1944/45. Die Aktion Friedensbrot des Stammheimer Museums dauert noch bis zum kommenden Sonntag. Gespannt sind die zwölf Männer und vier Frauen auf die nächsten Tage. Dann beginnt eine Vielzahl von Veranstaltungen, Paraden und Feiern zum 70. Jahrestag der Invasion. Schon heute sind die Ortschaften und Landstraßen zwischen Caen und Cherbourg mit Touristen und deren Wohnmobilen verstopft, ganz zu schweigen von Hunderten alter Militärfahrzeugen aus ganz Europa. Ab Freitag werden dann wegen der Staats- und Ehrengäste im Bereich der Landungsstrände dann auch die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Schon jetzt rollen immer mehr Motorradstreifen und Mannschaftsbusse der Gendarmerie die Küstenstraßen entlang, an den Strände fliegen Militärhubschrauber Patrouille.
|
6. Juni 2014: Gedenkstunde bei Sonnenaufgang - Erkundungsfahrt entlang der Invasionsstrände – Hochbetrieb in der Bäckerei |
||||
Viervillle sur Mer: Für das Stammheimer Team begann der eigentliche D-Day schon am frühen Morgen, direkt am Strand. Dort, wo vor 70 Jahren am Omaha-Beach ab 05.30 Uhr eine der blutigsten Schlachen des Zweiten Weltkriegs begann, da lag bei Sonnenaufgang beklemmende Stille über dem Strand von Vierville. Direkt an der Strandlinie hatten sich einige Hundert Menschen zu einer frühen Gedenkfeier versammelt. Vor der Kulisse einiger historscher Militärfahrzeuge erzählte ein amerikanischer Veteran, wie er den 6. Juni 1944 erlebt hatte. Schweres deutsches Feuer hatte seine Kompanie bereits am Strand niedergehalten. Stunden später gelang es ihnen, sich wenigstens in den ersten Dünen Deckung zu finden. Gegen zehn Uhr waren alle Offiziere und Unteroffiziere tot oder wegen Verwundung ausgefallen, die Mannschaftsdienstgrade kämpften nun alleine ihren "Privates War". 14 Stunden nach der Landung erreichten die Überlebenden die Hauptstraße von Vierville, ungefähr dort, wo seit Dienstag die Stammheimer Feldbäckerei steht. Betroffenheit machte sich bei allen breit, als der alte Amerikaner erzählte, dass sich gegen Abend der Strand dann im wahrsten Sinn des Wortes blutrot gefärbt hatte. Außerdem spülte die auflaufende Flut das an den Strand, was von den Gefallenen der Schlacht übrig geblieben war. Zum Schluss dieser frühen Gedenkfeier am Omaha Beach bildeten die Anwesenden eine lange Menschenkette und legten direkt an der Wassserlinie hunderte von weißen Blumen nieder. Ab 08.00 Uhr bullerte dann wieder der Ölbrenner im Feldbackofen. Martin Schiffer und seine Helfer Klaus Achermann und Olard Laurent schoben eine Reihe von Kommissbrotformen nach der anderen in den Ofen. Schon gegen Zehn standen dann wieder die ersten Kunden vor dem Backofen: Einheimische, Schlachtentouristen und die Fahrer historischer Militärfahrzeuge. Langsam kennt man sich jetzt, die Bäcker und die uniformierten Zivilisten aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, die in Vierville campieren. Dazu kommen immer wieder neue, oft unerwartete Gäste, so eine Reisegruppe aus Hettstadt. Extra zum D-Day war sie in ihre Partnergemeinde Argences bei Caen gereist. Nun besuchten gut 50 Hettstadter und Argences'er gemeinsam die Feldbäckerei der Stammheimer. Im Gegensatz zu den ersten Tagen, war es auf den Straßen am eigentlichen D-Day ruhig. Wegen der vielen Staatsgäste hatte die Gendarmerie fast alle Straßen im Bereich der Landungsstrände abgesperrt. Nur Fahrzeuge mit einer Sondergenehmigung dürften noch fahren – und die Stammheimer hatten diese für zwei Museumsfahrzeuge erhalten. Sobald in der Bäckerei alles planmäßig lief, rumpelte der Rest des Teams mit einem Jeep und einem Opel Blitz Lastwagen nach Arramanches. Während der Invasion hatten dort die Engländer einen künstlichen Hafen angelegt, um ihren Nachschub an Land zu bringen. An diesem Jahrestag wurde in Arramanches eine der größten Gedenkfeiern veranstaltet. Dazu waren Hunderte von alten Militärfahrzeugen in die Stadt gekommen – und da Ebbe war, stand der gesamte Strand vor der Stadt als Parkplatz zur Verfügung. Dazwischen Einheimische, Touristen und auch viele Familien in Ausgehkleidung, die sie nach Vorbildern aus den 1940er Jahren liebevoll geschneidert hatten. Kein Wunder, dass da Fotoapparate aller Größen fast ununterbrochen klickten. Zu den begehrten Motiven gehörten drei "Krankenschwestern" des Stammheimer Teams – zusammen mit dem Opel Blitz Baujahr 1943. In Arramanches verwischten dann, wie auch an vielen anderen Orten, rasch die Grenzen zwischen Gedenktag und Volksfest. Ein Gegensatz zu den oft abenteuerlich verkleideten Jeep- und Motorradfahrern war die weiße Arbeitskleidung der Feldbäcker. Unermütlich teilten sie Proben ihres Friedensbrotes aus und standen stundenlang geduldig Frage und Antwort. Dabei stehen ihnen die anstrengensten Tage noch bevor. Für das Wochenende erwarten die Orte an den Landungstränden eine zweite Invasion: Touristen über Touristen werden erwartet. Trotzdem ist sich Martin Schiffer sicher, dass seine Vorräte noch für alle reichen werden . Und zur Not kann ihm dann noch immer sein französicher Kollege mit Mehl und anderen Backzutaten aushelfen – damit die Aktion Friendsbrot planmäßig weiterläuft.
|
Abschlussbericht: |
||||
Als Resümé der erlebnisreichen Wochen möchte ich feststellen, dass man als Deutscher beim D-Day - zwischen Zeitzeugen, Veteranen und Oldtimersammlern - stets seine Rolle finden musste. Wir haben das Brot sprechen lassen und wurden verstanden, ohne das wir das ganze Geschehen selbst immer in Worte hätten fassen können. Zum Abschied gab es wohl niemanden unter uns, den Veteranen und unseren Gastgebern, der keine feuchten Augen hatte.
|
Danke! |
Für unsere Aktion "Friedensbrot in der Normandie"
|